Qualität aus vorhandenen Flächen herausholen. Städtische Nachverdichtung funktioniert am besten, wenn man Freiräume für die Bewohner schafft und einer stringenten Strategie folgt.

Wie könnte das Wohnen der Zukunft aussehen? Die Digitalisierung, steigendes Umweltbewusstsein, demografische Veränderungen, neue Lebensstile und das Bedürfnis maximaler Flexibilität spielen hier eine Rolle. 

Leicht zu erkennen ist: Die Zukunft gehört der Stadt. Urbanisierung bleibt weiterhin ein Trend. Zuwanderung und Globalisierung führen zu einer Verdichtung urbaner Gebiete. Viele junge Menschen drängen für Ausbildung und Jobs in die Ballungszentren. Single-Haushalte nehmen zu und auch Menschen im Ruhestand zieht es in die Stadt. Daraus resultieren Wohnraumknappheit, steigende Mieten und höhere Preise für Eigentumswohnungen und Baugrundstücke. Immer wichtiger wird daher die städtebauliche Nachverdichtung. Gebäude und Innenräume werden aufgestockt beziehungsweise adaptiert und gleichzeitig gilt es, die Gemeinschaft und das Miteinander zu fördern.  

BAULAND MOBILISIEREN

In Bezug auf die Verknappung der Flächen verweist Roman Höllbacher, Künstlerischer Leiter der Initiative Architektur Salzburg, im Interview mit ECHO auf sehr viel gewidmetes Bauland, das noch nicht genutzt werde. „Hier muss politisch Druck gemacht werden, um die Mobilisierung voranzutreiben. Noch wichtiger als das Thema der ungenutzten Baulandressourcen ist jedoch die Nachverdichtung. Wir dürfen nicht weiterhin derart viele Flächen versiegeln, sondern wir müssen jene Bereiche, die bereits versiegelt sind, noch besser nutzen.“

In Österreich werden täglich elf Hektar Boden versiegelt, das entspricht in etwa der Fläche von 16 Fußballfeldern. Auch weil die Schneefallgrenze immer höher liegt, gibt es vermehrt Regen. Und jede Fläche, die man versiegelt, bedeutet, dass das Wasser nicht versickert. Vor allem auch das Bundesland Salzburg hat vermehrt erfahren, wie fatal die Auswirkungen von Hochwassern sein können.  

Diesem Problem entgegenwirken kann man, indem man vermehrt auf Dachbegrünungen und Null-Grad-Dächer setzt. Je höher der Substrataufbau und je absorptionsfähiger die Komponenten, des to mehr Wasser kann gespeichert werden. Gründächer bieten wertvolle Retentionsflächen und helfen gegen Überlastungen des Kanalsystems. „Wir schlagen vor, dass Neubauten – man denke an den ganzen Gewerbebereich – als Null-Grad-Dächer auszuführen sind, um eine maximale Rückhaltung der Regenwässer zu erzielen, auch um diese in Trockenperioden zur Verfügung zu haben“, sagt Roman Höllbacher. 

Generell müssen neue Wohnanlagen nachhaltig gestaltet werden. Das beginnt beim ressourcenschonenden Bauen und geht hin bis zu einer drastischen Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien im Haushalt. Etwa durch Photovoltaik, Solar­thermie, Batteriespeicher oder Wärmepumpen.

DRINNEN UND DOCH DRAUSSEN

Roman Höllbacher betont, dass die Nachverdichtung und das bessere Ausnutzen von bebauten Flächen gleichzeitig mit einer Qualitätssteigerung einhergehen müssten. „Wir kommen nicht weiter, wenn wir Baumaßnahmen setzen, die von den Menschen nicht angenommen werden. Man muss in die Höhe bauen und gleichzeitig Freiräume schaffen.“

Nicht zuletzt die Lockdowns haben aufgezeigt, dass möglichst jede Wohnung eine Loggia, eine Terrasse oder zumindest einen Balkon braucht. „Vor allem wenn es um das städtische Bauen geht, muss man die Möglichkeit haben, in seinem Wohnbereich auch nach draußen gehen zu können“, betont Höllbacher. 

Seiner Meinung nach bedeutet Bauen in der Zukunft auf die Nachhaltigkeit bezogen: Die Objekte dürfen das Klima nicht weiter belasten, das heißt, sie müssen CO2-neutral errichtet, betrieben und gegebenenfalls auch entsorgt werden und möglichst energieautark sein. 

Immer mehr zum Trend werden auch Urban Gardening und die Begrünung von horizontalen und vertikalen Gebäudehüllen. Auch in den Städten will man viel „Grünes“ forcieren. Gärten und Pflanzen auf Balkonen und Terrassen werden immer wichtigere Bestandteile des Wohnens. Diese Maßnahmen helfen, die vorhandene Stadtlandschaft zu reparieren.

„Vor allem wenn es um das städtische Bauen geht, muss man die Möglichkeit haben, in seinem Wohnbereich auch nach draußen gehen zu können.“ Roman Höllbacher, Künstlerischer Leiter Initiative Architektur Salzburg

WACHSTUM OHNE ORDNUNG

Apropos reparieren. Sehr viel Reparaturbedarf sieht Roman Höllbacher in Sachen Baukultur und Zersiedelung im Bundesland Salzburg. „Die Baukultur ist ein Politikfeld, das ziemlich brachliegt. In den vergangenen Jahrzehnten gab es keine konsistente Baukultur-Strategie.“

Das beginne bei der Raumordnung. Denn die Siedlungsentwicklung sei die Grundlage der Baukultur. „Wenn man Luftbildaufnahmen von 1950 mit jenen von heute vergleicht, dann sieht man, wie die Gemeinden mehr oder minder ungeordnet gewachsen sind“, sagt Höllbacher. Um die Ortszentren vom Durchzugsverkehr zu entlasten, schuf man viele Aufschließungsstraßen für Gewerbezonen. So finden sich Wohngebiete und Einfamilienhäuser heute neben hochrangigen Straßen. Das hat dem Gewerbe im Zentrum häufig den Garaus gemacht, weil im Gewerbegebiet die Einkaufszentren und Handelsbetriebe aus dem Boden schossen. 

 

WENN EXPERTEN GESTALTEN

Eine Orts- oder Stadtplanung im gestalterischen Sinn habe man laut Höllbacher im Bundesland Salzburg so gut wie nie gemacht. Beispiele, wie es besser hätte laufen können, findet man in Bayern oder Südtirol. Es brauche demnach eine Aufsichtsbehörde, welche die Ortsplanung tatsächlich wahrnimmt. Zudem müsse sich die öffentliche Hand an Vergaberegeln halten, wo immer öffentliches Geld eingesetzt wird. Es muss Architekten-Wettbewerbe und Qualitätskontrollen geben, um bessere Ergebnisse erzielen zu können. 

Leichte Besserung versprechen Gestaltungsbeiräte, die neben der Stadt Salzburg vor allem in Zell am See, Saalfelden und in Neumarkt am Wallersee geschaffen wurden. „Diese Gestaltungsbeiräte gehören im ganzen Bundesland breit ausgerollt“, so Höllbacher. 

Seiner Meinung nach müssten auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – sie verantworten die Flächenwidmung und fungieren als Baubehörde – ihre Verantwortung in einem qualitativen Sinne mehr wahrnehmen. Dafür müssten sie sich mehr Expertise ins Haus holen. Es brauche schlicht professionelle Gutachten und Inputs von Gestaltungsbeiräten, um Orts- und Stadtbilder zukünftig attraktiver gestalten zu können. Wo dies noch möglich ist. 

Immer mehr Gemeinden erkennen laut Höllbacher, dass diese Entwicklungen in den Gemeinden und Städten nötig sind. Es gibt natürlich auch viele Beispiele, wo die Dinge gut laufen. „Im kommunalen Bereich – vor allem auch in ländlichen Gebieten – sind schöne Projekte etwa durch Kindergärten oder Schulen verwirklicht worden. Das ist sehr positiv. Es geht immer um die Qualität der Vorbereitung und Durchführung. So erreicht man Ergebnisse, die dann auch langfristig Freude bereiten“, erklärt Roman Höllbacher.