Wilfried Haslauer. Der Landeshauptmann wird mit Anfang Juli seine politische Karriere beenden. ECHO traf ihn zu einem persönlichen Abschiedsinterview. Sorgen macht Haslauer sich aufgrund der zunehmenden Demokratieermüdung.

Etwas überraschend kam sie dann doch: Die Meldung, Anfang dieses Jahres, dass Wilfried Haslauer mit 2. Juli 2025 seine Funktion als Landeshauptmann Salzburgs zurücklegen wird. Landesparteiobmann der ÖVP Salzburg ist er bereits seit Ende Jänner nicht mehr. Bezogen auf seine Nachfolgerin, Karoline Edtstadler, sei er mit der Lösung sehr zufrieden. Sie sei weltoffen, aber immer eine Salzburgerin geblieben.

ECHO traf den „Noch-Landeshauptmann“ zu einem persönlichen Interview in seinen Büroräumlichkeiten im Chiemseehof. Das Gespräch fand genau vor jenem Kamin statt, vor dem ECHO im Jahr 2008 ein Doppelinterview mit der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) und ihrem Stellvertreter Wilfried Haslauer geführt hatte. Bei der damaligen Diskussion zeigte sich Haslauer mitunter angriffig. ECHO hatte danach gefragt, weshalb Berufspraktika meist unbezahlt seien. Burgstaller hatte erklärt, arbeitsrechtliche Regelungen seien eindeutig Bundesaufgabe. Haslauer warf Richtung Landeshauptfrau Burgstaller ein: „Sie verzeihen, hier haben wir ein Phänomen der Salzburger Landespolitik. Die anderen sind schuld und wir sind nicht zuständig.“

Gut fünf Jahre später, sollte es Haslauer sein, der den Landeshauptmann-Sessel für die ÖVP zurückholen konnte. Es gelang ihm, „den Schutt des Finanzskandals vor der Türe der SPÖ abzuladen und die ÖVP in einer vorgezogenen Neuwahl wieder zur Nummer eins im Land zu führen“, wie die APA schrieb. Zwölf Jahre lang wird Wilfried Haslauer an der Spitze des Landes gestanden sein, wenn er seine Funktion am 2. Juli weitergibt. Somit erreichte er die gleich lange Amtszeit wie sein gleichnamiger Vater und sein politisches Vorbild.

Haslauer wurde am 3. Mai 1956 geboren und besuchte das Akademische Gymnasium in Salzburg. Nach eigener Aussage war er alles andere als ein Musterschüler, seine Betragensnote wir nicht immer ein „Sehr gut“ und Nachsitzen kannte er besser als ihm lieb war. Das anschließende Jus-Studium schloss er mit dem Doktorat ab, daneben studierte er Volkswirtschaft als Teilstudium. 1985 gründete er eine Anwaltskanzlei, in der er bis 2004 tätig blieb. Nach einem historischen Debakel und der Abwahl Franz Schausbergers, richtete Haslauer die ÖVP wieder auf.

Das Verhältnis zur damaligen SPÖ war nicht gerade harmonisch. Als neuer Regierungschef hatte er ab 2013 die SPÖ auf die Oppositionsbank verbannt, ging lieber Dreier-Koalitionen ein und bemühte sich um eine neue politische Kultur ohne Misstrauen, Streit oder Unterstellungen. Haslauer erarbeitete sich einen Ruf als ausgezeichneter Stratege und Taktiker, er blieb stets skandalfrei und gilt als Sachpolitiker. Im Interview mit ECHO gab er sich bezogen auf die neue Demokratieermüdung auch nachdenklich.

ECHO: Wie viel Wehmut verspüren Sie, wenn Sie an den 2. Juli denken?

Wilfried Haslauer: Gar keine. Es gibt derartig viel zu tun, ich habe überhaupt keine Zeit daran zu denken. Durch die aktuelle Situation, auch als Vorsitzender der Landeshauptleute-Konferenz und der Landesfinanzreferenten-Konferenz in Zusammenhang mit der Budgeterstellung des Bundes ist einfach wahnsinnig viel zu tun. Aber es ist eine gewisse Vorfreude da, ein Kapitel abzuschließen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es war mir wichtig, meine Nachfolge gut zu regeln und selbst zu bestimmen, wann ich gehe.

ECHO: Man ist als Landeshauptmann permanent mit Aufgaben betraut und hat kaum Zeit in sich zu gehen. Ist dies belastend oder macht es Ihnen Freude?

Haslauer: Es ist richtig, der Termindruck ist extrem hoch. Man ist sehr durchorganisiert, aber ich habe ein Büro mit tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mich unterstützen. Im Prinzip kommen zu mir alle Angelegenheiten, die Probleme machen. Und dann kann neben allem Geplanten auch schnell Ungeplantes aufschlagen. Und das kommt dann oft nicht alleine, sondern in mehrfachen Ausfertigungen. Dann wird es manchmal schon eng. Sie haben es richtig erkannt, es ist enorm wichtig, sich ab und zu da heraus zu ziehen und etwas über größere Zusammenhänge und Weichenstellungen nachzudenken. Während längerer Autofahrten zu Terminen habe ich diese Zeit gefunden, aber auch zu Hause oder im Urlaub. Ich lese gerne, auch da kommen viele Anregungen.

ECHO: Welche politischen Errungenschaften gab es während Ihrer Zeit als Politiker und gibt es auch Dinge, die Sie aus heutiger Sicht anders gemacht hätten?

Haslauer: Vielleicht kann ich die Frage etwas umformulieren. Wie kann ich das Land übergeben? Es steht wirtschaftlich sehr gut da, wir hatten auch österreichweit immer die geringste Arbeitslosigkeit. Salzburg hat mit Abstand das größte Bruttoregionalprodukt, weit vor Wien und Vorarlberg. Im Großen und Ganzen haben wir das Land gut verwaltet. Salzburg hat eine hohe Lebensqualität und es gibt sozialen Frieden im Land. Das sind Dinge, die man auf der Habenseite verbuchen kann. Auch gewisse Weichenstellungen beim Verkehr, in der Entwicklung der Gemeinden und in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur. Auf diesem Fundament kann man aufbauen.

Aber natürlich geht es immer weiter und es gibt ständig neue Bedarfe. Einer dieser Bedarfe ist der Komplex Wohnen. Das ist zu teuer bei uns, wofür es aber auch viele externe Ursachen gibt. Auch die Entwicklung in den Krankenanstalten fordert uns finanziell enorm. Und ein paar Dinge sind nicht gut gelaufen: Beim S-Link hätte ich mir vorgestellt, er ist eine gute Sache für Salzburg. Aber dieses Thema ist für meinen Amtszeit leider erledigt. Ich hätte auch gerne eine Bundesmuseum für das Fotografische nach Salzburg geholt. Das ist mir nicht gelungen. Ebenfalls nicht gelungen ist eine Etablierung einer gemeinsamen Marke aus Stadt und Land Salzburg. Wir haben diese Marke gemacht, aber sie wurde nie angenommen.

ECHO: Marlene Svazek von der FPÖ meinte in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ wörtlich über Sie: „Er wird mir in der Zusammenarbeit schon abgehen, ich habe sehr viel gelernt von ihm in diesen zwei Jahren.“ Was sagen Sie zu diesem Lob von Frau Svazek, mit der es nicht immer bestens gelaufen ist?

Haslauer: Naja, das war ja für mich nicht ganz einfach, denn wir hatten einen sehr heftigen Wahlkampf. Und Frau Svazek war in der Opposition und hat zum Teil recht untergriffig agiert und mich auch persönlich sehr angegriffen. Meines Erachtens wurde die rote Linie hier teilweise überschritten. Ich hatte erhebliche Entscheidungsschmerzen mit den Freiheitlichen in die Koalition zu gehen. Auch weil ich ideologisch und vom Weltbild her einige Dinge ganz anders sehe. Es hat sich dann so ergeben und ich muss sagen, die Zusammenarbeit läuft pragmatisch ab. Wir haben auch menschlich wieder miteinander einen Weg gefunden, das ist sehr OK.

Ich war in zwei Regierungen Landeshauptmann-Stellvertreter und ich habe drei Regierungen geführt. Es ist schon wichtig, dass man klimatisch alle auf einen gleichen Weg bringt. Natürlich haben wir unsere unterschiedlichen Meinungen, aber es gibt viele konstruktive Zugänge und ich würde die Zusammenarbeit als gut bezeichnen. Die Tonalität ist eine ruhigere, nicht mehr so provozierende und versöhnlichere geworden. Es ist mir wichtig, welches politische Klima wir in Salzburg haben. Demokratie besteht natürlich aus Diskussion und es ist ein Naturgesetz, dass die Regierung und die Opposition Dinge unterschiedlich sehen. Aber letztlich muss man doch am nächsten Tag wieder zusammenarbeiten können und auch mit gegenseitigem Respekt agieren können. Sprache ist dabei sehr entscheidend.

ECHO: In der Politik haben diesbezüglich aber Beleidigungen enorm zugenommen. Auch mit einem Blick in die USA.

Haslauer: Ich finde es nicht gut, denn der sprachlichen Radikalität folgen leider oft auch radikale Taten. Die Sprache kann wie ein Schwert sein, mit dem man jemanden zu Tode verletzen kann. Es ist für die demokratische Entwicklung nicht gut und ich sehe insgesamt eine Situation der Demokratieermüdung. Ein resignatives Gefühl. Und je resignativer und stumpfer die Öffentlichkeit gegenüber politischen Entscheidungen ist, umso weniger sind diese politischen Entscheidungen auch legitimiert. Dieses Demokratieermüdungs-Phänomen oder dieses Wohlstands-Langeweile-Phänomen halte ich für relativ gefährlich. So wird die politische Mitte farbloser und die extremen Ränder interessanter. Wir feiern jetzt 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Menschen damals vor dem Nichts gestanden sind, müssen wir uns den Wertigkeiten unseres Lebens wieder bewusster werden. Die Demokratie, die Freiheit, die Rechte, die soziale Absicherung, der Wohlstand, die Bildungsmöglichkeiten und Chancen in die ganze Welt zu reisen und in Frieden zu leben sind für uns so selbstverständlich geworden, dass dies nicht mehr interessant ist. Uns muss bewusst werden, dass dies nicht selbstverständlich ist und wir viel zu verlieren haben.

ECHO: Kommen wir zu einem anderen Thema. Die Schulden des Landes Salzburg sind im Vorjahr um 420 Millionen Euro – auf mittlerweile rund 1,5 Milliarden Euro angestiegen. Welche Ursachen gibt es dafür hauptsächlich?

Haslauer: Dafür gibt es mehrere Ursachen. Zuerst muss man sehen, dass die Schulden des Landes im Jahr 2013 bei 2,3 Milliarden Euro lagen. Diese konnten wir damals auf eine Milliarde Euro mehr als halbieren. Das ist uns auch gelungen, weil es wirtschaftlich erfolgreiche Zeiten waren. Wir hatten große Wachstumsphasen. Die Pandemie war dann wirtschaftlich nicht so ein großes Problem wie der Russland-Krieg und seine Folgen. Energiekrise, enorme Teuerung und hohe Inflation, hohe Lohnabschlüsse und kein wirtschaftliches Wachstum mehr. Dies führte zu einer Dynamik, dass auf der einen Seite die Einnahmen deutlich geringer wurden und auf der anderen Seite die Ausgaben explodierten. Das ist ein Block. Der zweite Block ist, dass wir das größte Investitionsprogramm im Land starteten, das es jemals gab. Alleine im Jahr 2025 sind dies fast 700 Millionen Euro und die Investitionen der Salzburg AG belaufen sich noch einmal auf 300 Millionen Euro. Es geht uns darum, die Wirtschaft zu beleben und Arbeitsplätze zu halten. Dieses Investitionspaket führte auch dazu, dass wir gemeinsam mit Wien die einzigen beiden Bundesländer sind, die beim Wirtschaftswachstum kein Minus an vorderste Stelle haben. Dieses Investitionspaket wird auch unsere Infrastruktur verbessern und uns wettbewerbsfähiger machen.

„Ich hatte erhebliche Entscheidungsschmerzen mit den Freiheitlichen in die Koalition zu gehen. Auch weil ich ideologisch und vom Weltbild her einige Dinge ganz anders sehe.“

Wilfried Haslauer, Landeshauptmann Salzburg

ECHO: Rückblickend betrachtet. Wo lagen die größten Herausforderungen?

Haslauer: Es gab vier Phasen, die sehr schwierig waren. Da war der Finanzskandal und seine Aufarbeitung. Das ist sehr gut gelungen finde ich. Das Zweite war die Flüchtlingskrise rund um das Jahr 2015. Auch das haben wir ganz gut hinbekommen. Dann kam Corona und diese Zeit war einfach schrecklich. Diese Krise ist über Jahre gegangen und das Land hat auch dies ganz gut überstanden. Man darf aber nicht vergessen, dass wir alleine im Bundesland Salzburg 3.000 Tote durch Corona hatten und es ist gesellschaftlich ein Schaden geblieben. Viele isolierten sich und haben sich in Gruppen in den Sozialen Medien zurückgezogen. Das Thema wurde auch politisch instrumentalisiert und es wird noch eine Weile dauern, bis das Vertrauen und die gegenseitige Wertschätzung wieder zurückkommen. Als wir Corona überwunden hatten, ging es wieder bergauf, bevor dieser schreckliche russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seinen Folgen kam. Hohe Energiepreise, die Inflation und die flaue Wirtschaft sind schon sehr herausfordernd. Ich bin mittlerweile seit 21 Jahren Mitglied einer Landesregierung – zwölf Jahre davon als Landeshauptmann. Es war schon fordernd und nicht immer ein Honiglecken. Aber das muss einem klar sein, wenn man eine solche Funktion übernimmt. Auf der anderen Seite gab es auch sehr viele schöne Momente und viel Positives, das mir Freude bereitet hat.

ECHO: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Haslauer: Ich arbeite gerade daran, hatte aber noch kaum Zeit dafür. Ich werde beruflich noch etwas machen und sicher nicht mein Leben lang nur Rasenmähen.

ECHO: Sie sind Jurist, wird es in diese Richtung gehen?

Haslauer: In der Nähe wird es sich abspielen.


Interview: Christian Granbacher