Kommt es zur Deindustrialisierung? Hohe Kosten, hohe Steuern, der Fachkräftemangel und weitere Probleme führen dazu, dass mehr und mehr Industriebetriebe in andere Länder ausweichen.

Die international schwache Nachfrage nach Industrieprodukten dämpft die Produktion im Euroraum. Bei unseren Nachbarn in Deutschland schrumpfte der Industrieproduktionsindex 2024 bereits das dritte Jahr in Folge. Noch kündigen die Unternehmenserwartungen keine nennenswerte Verbesserung der Industriekonjunktur an, vielmehr herrscht nach wie vor Krisenstimmung.
Laut Statistik Austria sank die österreichische Wirtschaftsleistung im IV. Quartal 2024 um 0,4 Prozent und damit etwas kräftiger als im III. Quartal (–0,3 Prozent gegenüber der Vorperiode). Da auch die Werte für die ersten drei Quartale 2024 deutlich nach unten revidiert wurden, ergibt sich für das Gesamtjahr 2024 nunmehr ein BIP-Rückgang um 1,2 Prozent. Die Unternehmensumfragen des WIFO lassen noch keinen baldigen Aufschwung erwarten. Die Industrieproduktion ging weiter zurück und die Erwartungen sind gedämpft. Zumindest die Baukonjunktur hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert und der Tourismus und Handel expandieren leicht.

ZAHLEN ZEIGEN WENIG POSITIVES

Auch wenn viele sagen, es sei wieder an der Zeit, positive Stimmung zu verbreiten und die Medien seien Teil des Problems, indem sie den Fokus auf negative Entwicklungen legen würden, so sprechen leider doch zahlreiche nüchtern betrachtete Zahlen und Fakten dafür, dass der Wirtschaft generell und vor allem der Industrie richtig herausfordernde Zeiten bevorstehen.
Die Zölle der USA treffen die europäische Industrie besonders hart. Schaden nehmen werden vor allem exportstarke Sektoren wie Maschinenbau, Metallindustrie und Automobilzulieferer, die gemeinsam 51 Prozent der österreichischen Exporte in die USA ausmachen. Das erratische Verhalten des US-Präsidenten Donald Trump beschert der ganzen Welt aktuell eine enorme Volatilität. Prognosen lassen sich so gut wie keine mehr treffen.

„Die Politik von Donald Trump kann heute so und morgen schon wieder ganz anders sein. Zölle tun niemandem gut, aber wir in Europa dürfen uns nicht davor fürchten, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Ja, wir liefern mehr Waren in die USA als wir importieren, die USA liefern dafür viel mehr Dienstleistungen nach Europa, als wir von den USA beziehen. In der Gesamtschau haben wir ein relativ ausgeglichenes Leistungsbilanzverhältnis“, sagt Peter Unterkofler, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Salzburg.

„Wir fordern eine Strompreis-Kompensation, vor allem bei der sehr energieintensiven Industrie. Konkrete Pläne der Regierung zur Entlastung gibt es leider nicht.“
Peter Unterkofler, Präsident der Industriellenvereinigung Salzburg

KONKRETE PLÄNE FEHLEN

Allerdings droht mittlerweile in Österreich eine Deindustrialisierung. Gegenüber anderen Sektoren könnte die Industrie also stark an Bedeutung verlieren. Große Probleme machen vor allem die hohen Kosten und die daraus resultierenden hohen Preise. „Die Spitzen der Energiekosten haben wir zwar schon in der Covid-Zeit durchschritten, allerdings sind wir noch weit davon entfernt, wo wir im Jahr 2019 waren. Wir bezahlen noch immer das Doppelte oder Dreifache der Preise unserer Mitbewerber in den USA oder China“, so Unterkofler, der weiter meint: „Wir fordern eine Strompreis-Kompensation, vor allem bei der sehr energieintensiven Industrie. Konkrete Pläne der Regierung zur Entlastung gibt es leider nicht. Und ein großes Problem ist, dass keine Senkung der Lohnnebenkosten in Sicht ist. Wir haben während der letzten vier Jahre eine Steigerung von beinahe 30 Prozent bei den Lohnstückkosten erlebt. Das ist leider ein typisch österreichisches Phänomen.“ Der europäische Durchschnitt liege hier bei Steigerungen von 22 Prozent. In der Schweiz und Dänemark würden die Steigerungen lediglich zwischen vier und sechs Prozent liegen. „Wir haben uns aus dem Markt herausgepreist und können nur mehr beschränkt in Österreich zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren. Deutschland hat Lohnnebenkosten, die um drei Prozent unter den unseren liegen. Wenn wir auf dieses Niveau kommen, wäre schon viel erreicht“, erklärt Peter Unterkofler.

DANN EBEN WOANDERS

Wenn die Politik in Sachen Industrie nicht gegensteuert, könnten mehr und mehr Betriebe dazu tendieren, im Ausland zu produzieren beziehungsweise neue Standorte außerhalb Österreichs zu errichten.
„Eine Studie aus Deutschland aus dem Jahr 2023 zeigt, in welche Richtung es geht. Im Jahr 2023 wurde von Deutschland erstmals mehr Geld außerhalb Deutschlands investiert, als innerhalb des Landes. Und in der EU wurde erstmals mehr außerhalb der Europäischen Union investiert, als innerhalb der EU“, so Peter Unterkofler. Auch eine Studie der Wirtschaftskammer Österreich (siehe Tabelle) zeigt auf, dass Arbeitskosten, Überbürokratisierung, Steuern und Abgaben sowie Energiekosten mehr und mehr Unternehmen dazu bewegen, abzuwandern.

STARKE GLOBALE VERÄNDERUNGEN

Das System der offenen Märkte steht schon länger unter Druck und die Vorgehensweise des US-Präsidenten Trump verschärft die Lage zusehends. Außerdem verzerrte World Trade Organization (WTO) Mitglied China über Jahrzehnte das globale Handelssystem durch Subventionen und günstige Kredite für einzelne Industrien. Die Übermacht Chinas und der USA habe WTO-Mitglieder an der alten Ordnung zweifeln lassen, analysiert der „Economist“. Außerdem entfallen laut „Financial Times“ auf die USA nur noch 13 Prozent der weltweiten Güterimporte. Es wurden neue Partnerschaften geschlossen, die weniger von der amerikanischen Nachfrage abhängig sind und besser vor chinesischer Überkapazität schützen wollen.
Wie der ORF berichtet, richteten mittlerweile die EU-Staaten und 16 weitere Länder, darunter China, ein alternatives Gremium ein, um Amerikas Blockade des Streitbeteiligungssystems (ein Instrument zur friedlichen Lösung von Handelsstreitigkeiten) zu umgehen. Somit nimmt eine fragmentierte Handelsordnung Gestalt an, die nicht von den USA oder China getrieben ist, sondern von vielen anderen. Laut ORF bilden sich Koalitionen dort, wo Interessen übereinstimmen. Die Geschichte zeige, dass solche Fleckerlteppich-Vereinbarungen durchaus erfolgreich sein können. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) mit nur 23 Ländern. Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis es heranreifte – zur WTO mit 166 Mitgliedsstaaten.

Der stärkste Babyboomer-Jahrgang in Österreich war 1963, mit 134.809 Geburten. Im Bundesland Salzburg wurden damals 7.950 Kinder geboren. Wie eklatant uns der Fachkräftemangel treffen wird, zeigt ein Vergleich. 2024 wurden in Österreich 76.873 Kinder geboren. In Salzburg gibt es für 2024 noch keine fixen Zahlen. Es dürften jedoch unter 5.000 Geburten sein. 2023 wurden in Salzburg 5.115 Babys geboren.

Quelle: Statistik Austria

WELCHE GRÜNDE BEWEGEN SIE ZU INVESTITIONEN IN ANDEREN LÄNDERN?
Im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) hat Deloitte mit einer Umfrage unter mehr als 500 WKO-Mitgliedsunternehmen aus allen Fachverbänden der Sparte Industrie die wichtigsten Herausforderungen erhoben. Auf die Frage: „Welche Gründe bewegen Sie zu Investitionen in anderen Ländern?“ antworteten die Betriebe wie folgt: Hellblau (wenig bis gar nicht), Mittelblau (moderat), Dunkelblau (sehr stark bis stark).


Christian GRANBACHER