Thomas Schatzl, Vizepräsident der Notariatskammer für Salzburg, erklärt im Gespräch mit ECHO, weshalb das Thema Unternehmensvorsorge für Betriebe essenziell ist.

ECHO: Weshalb kommt der Unternehmensvorsorge eine so tragende Rolle zu?

Thomas Schatzl: Bei der Unternehmensvorsorge werden Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass beispielsweise ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer ausfallen. Gründe hierfür gibt es sehr viele, sei es ein Schlaganfall, ein Autounfall oder ein längerer Krankenhausaufenthalt nach einer Operation. Ebenso geht es um die Vorsorge für den Fall, dass eine wichtige und tragende Person des Unternehmens verstirbt. Und im Zuge eines dritten Pfeilers der Unternehmensvorsorge kann man festlegen, was mit den Unternehmensanteilen geschieht, wenn sie im Fall einer Scheidung an eine Person übertragen werden, die nicht bereits Gesellschafter ist.

ECHO: Wird bei den mittelständischen Unternehmen zu wenig Vorsorge betrieben?

Schatzl: Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer müssen sich dabei nämlich mit Problemen auseinandersetzen, die nicht alltäglich sind. Sie müssen sich mit Sondersituationen beschäftigen. Es geht darum, sich diesen Problemen proaktiv zu widmen und Lösungen zu suchen.

ECHO: Können Notare diesen Denkprozess anstoßen?

Schatzl: In erster Linie geht es um die Awareness der Unternehmer. Sie sind es, die konkret überlegen müssen, was passiert mit meiner Firma, wenn ich morgen sterbe oder etwas passiert, was mich länger handlungsunfähig macht? Wie geht es weiter? In dem Augenblick, wo sich die Personen mit diesen Themen auseinandersetzen, können wir Notarinnen und Notare helfen. Man kann die Geschäftsunfähigkeit durch Vorsorgevollmachten absichern. Man kann bei Entscheidungsunfähigkeit auch die Geschäftsordnungen absichern. Und im Ablebensfall kann man mit einem Testament vorsorgen. Ganz entscheidend ist das Bewusstsein dafür, diese Probleme im Sinne der Zukunft des eigenen Unternehmens anzugehen.

ECHO: Fällt die Entscheiderin oder der Entscheider eines Unternehmens für mehrere Wochen aus, gehen die Agenden dann meist an eine Einzelperson oder an mehrere Personen über?

Schatzl: Das hängt von der konkreten Struktur des Unternehmens ab. Dies sind eben die Gründe, weshalb eine Beratung viel Sinn macht. Notarinnen und Notare können hier gut helfen. Nehmen Sie an, ein Unternehmen hat einen alleinigen Geschäftsführer und dieser ist im schlimmsten Fall urteilsunfähig. Dann ist das Unternehmen handlungsunfähig. Deshalb ist es wichtig, bereits im Vorfeld Vollmachten und Handlungsbefugnisse zu erstellen. Denn ohne diese sind auch den engsten Familienangehörigen oft die Hände gebunden.

ECHO: Herrscht bei Konzernen mehr Bewusstsein für diese Themen?

Schatzl: Bei den meisten Konzernen gibt es diesbezüglich tatsächlich Compliance Rules, die beispielsweise besagen, dass die Geschäftsführer eines Unternehmens nicht gemeinsam in einem Auto oder einem Flugzeug reisen dürfen. Das Bewusstsein für Unternehmensvorsorge ist bei kleineren und mittleren Unternehmen einfach weniger vorhanden als in Konzernen.

ECHO: Welche Rolle im Zusammenhang mit Vorsorge spielt es, ein Unternehmen zu übergeben?

Schatzl: Wir reden im Sinne der Unternehmensvorsorge auch von einer guten Firmenübergabe. Es ist wenigen bewusst, dass diese zehn Jahre, zumindest jedenfalls fünf Jahre, vorbereitet werden sollte. Man braucht jemanden, der alle Aufgaben bewältigen kann, und man braucht jemanden, der auch wirklich gewillt ist, das Unternehmen zu führen. Dieser Person muss man entsprechend die Möglichkeit geben sich einzuarbeiten, um die Firma bestmöglich leiten zu können.

ECHO: Erfolgen die meisten Firmenübergaben zeitgerecht?

Schatzl: Vor allem in Familienbetrieben tendieren die Unternehmerinnen und Unternehmer meiner Erfahrung nach dazu, zu lange am Ruder bleiben zu wollen. Sie bedenken diese langen Vorlaufzeiten zu wenig. Man muss bereit sein loszulassen und zu akzeptieren, dass jemand mit neuen Ideen kommen könnte. Das ist nicht immer einfach. Wir unterstützen auch bei solchen Übergaben. So kann es vorkommen, dass zwei Geschwister ein Unternehmen übergeben bekommen, sie sich aber nicht verstehen. Dann geht es darum, für die Familie und das Unternehmen die beste Lösung zu suchen.

ECHO: Müssen Sie als Mediatoren auftreten? Und wie oft kommt es zu Streit?

Schatzl: Eine Notarin oder ein Notar muss zwingend unparteiisch sein. Daher sind wir gut geschult, zwischen verschiedenen Standpunkten zu vermitteln. Denn dass es unterschiedliche Herangehens- und Sichtweisen gibt, liegt in der Natur der Sache. Will man ein Unternehmen innerhalb der Familie vererben, muss bedacht werden, wer will die Aufgabe gerne weiterführen. Es gibt auch Kinder, die wollen gar nicht im Unternehmen mitarbeiten. Dennoch steht jedem Kind nach dem Ableben eines Übergebers ein Teil des Erbes zu. Das führt unweigerlich zu Konflikten, die man aber auch vorausschauend behandeln und lösen kann. Wirklich wertvoll ist ein Unternehmen meist erst bei einem finalen Verkauf. Erst dann stehen wirklich die liquiden Mittel zur Verfügung, um hohe Ansprüche auszuzahlen, ohne das Unternehmen zu gefährden. Notarinnen und Notare können in solchen Situationen aufgrund ihrer Unparteilichkeit gute Lösungen anbieten. Wir müssen immer im Sinne aller Parteien denken.

„Die Unternehmer müssen konkret überlegen, was passiert mit meiner Firma, wenn ich morgen sterbe oder etwas passiert, was mich länger handlungsunfähig macht?“

Thomas Schatzl,
Vizepräsident der Notariatskammer für Salzburg


Interview: Christian Granbacher