Rekordverdächtige Inflation. Lebensmittel, Treibstoff und Energie. Alles, was wir zum Leben brauchen, wird teurer und teurer. Wo genau sind die Ursachen dafür zu finden und wie lange müssen wir unter dieser Entwicklung noch leiden?

Die Coronakrise, der Russland-Ukraine-Krieg, die Energiekrise und Lieferengpässe führen zu enormen Preissteigerungen. Viele Produkte, darunter auch Lebensmittel, werden deutlich teurer. Lag die Inflationsrate im April 2021 in Österreich noch bei 1,9 Prozent, liegt sie mittlerweile bereits bei 7,2 Prozent.

Die Verknappung von Gütern führt dazu, dass die Nachfrage viel größer ist als das Angebot. Eine weitere Ursache für Teuerungen sind Erhöhungen der Produktionskosten. Etwa steigende Rohstoffpreise. Da die Unternehmen nach wie vor Gewinn erwirtschaften möchten, erhöhen sie ihre Preise, wodurch der Wert des Geldes sinkt. Viele Unternehmen haben aber noch nicht einmal damit begonnen, ihre höheren Kosten an die Konsumenten weiterzugeben. Sie werden dies aber noch tun, um ihre Gewinne eben nicht zu gefährden. Man muss also zeitnah mit Zweit- oder sogar Drittrundeneffekten rechnen, was die Entwicklung der Inflation nach oben betrifft.

LEBENSMITTELPREISE STEIGEN

Konsumenten in Österreich werden sich nun zurecht fragen, warum auch bei uns die Kosten für Güter steigen, die hier eigentlich zur Genüge vorhanden sein müssten. Österreich ist ein Land der Bauern und Wälder. Felder, Kühe und Bäume gibt es in rauen Mengen. Warum aber beispielsweise ist zuletzt auch der Preis von Milch gestiegen? Der Butterpreis stieg im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent, der von Frischmilch um 12,1 Prozent. „Österreich könnte sich sehr gut selbst mit Milchprodukten versorgen und es ist auch keine Frage des knappen Rohstoffs Milch. Aufgrund des Ukraine-Konflikts haben sich in den vergangenen Monaten vielmehr die Preise für Rohstoffe extrem verteuert“, erklärt dazu Andreas Gasteiger, Geschäftsführer der SalzburgMilch (siehe dazu Interview in diesem Artikel). 

„Die mit Abstand größten Preistreiber waren die Treibstoffe und Haushaltsenergie.“ Alexandra Voithofer, Direktorin des Salzburger Bauernbunds

Auf die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich angesprochen, erklärt Alexandra Voithofer, Direktorin des Salzburger Bauernbunds, gegenüber ECHO: „Die Wahrheit ist, dass die Preise für Lebensmittel in den vergangenen Monaten deutlich weniger gestiegen sind als die allgemeine Inflation. Das zeigen auch die Zahlen der Statistik Austria ganz klar. Im Gesamtjahr 2021 lag die Inflation bei 2,8 Prozent, während die Preise für Nahrungsmittel und alkohol­freie Getränke nur um 0,8 Prozent zulegten und damit deutlich inflationsbremsend wirkten. Die mit Abstand größten Preistreiber waren die Treibstoffe und Haushaltsenergie.“

VERKEHR & ENERGIE ALS PREISTREIBER

Diese Situation habe sich laut Alexandra Voithofer im ersten Quartal 2022 nicht geändert. Erst im April 2022 lag die Teuerung bei Lebensmitteln mit 8,4 Prozent über der Inflation von 7,2 Prozent. Aber auch hier seien die größten Preistreiber die Bereiche Verkehr mit +17,7 Prozent und Haushaltsenergie mit +28,8 Prozent. „Wenn man sich vor Augen führt, dass Treibstoffe im April um fast 50 Prozent teurer waren als vor einem Jahr und Heizöl sogar um 100,4 Prozent, dann liegt es auf der Hand, wo die Kostentreiber zu finden sind“, so die Direktorin des Salzburger Bauernbunds. 

Die Preise für Lebensmittel würden erst jetzt beginnen, aufgrund der explodierenden Betriebsmittelkosten und der allgemeinen Teuerungsrate in Teilbereichen anzuziehen. Um die steigenden Produktionskosten abdecken zu können, seien Produktpreiserhöhungen auch im land- und forstwirtschaftlichen Sektor nötig. „Die bäuerlichen Produktionsbetriebe stellen für Österreich eine verlässliche inländische Produktionsgrundlage dar und gewährleisten somit die Lebensmittel-Versorgungssicherheit“, sagt Voithofer.

„In Österreich werden nur 17 Prozent des verbrauchten Getreides direkt als Nahrungsmittel verwendet, 47 Prozent als Futtermittel und 31 Prozent energetisch oder stofflich, zum Beispiel als Agrartreibstoff, genutzt.“ Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftsexpertin von GLOBAL 2000

 

GETREIDEMANGEL

Russland und die Ukraine sind weltweit wichtige Getreide­exporteure. Der Krieg könnte in manchen Ländern sogar eine Hungersnot auslösen. „Bei Getreide, Kartoffeln, Zucker, Rindfleisch sowie Milch- und Milcherzeugnissen wird der Eigenbedarf aus der heimischen Produktion komplett gedeckt“, erläuterte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in München. In Bayern hat man die Situation demnach im Griff. Auch in Österreich ist die Versorgungssicherheit aktuell natürlich noch gegeben. Aber es gibt gewisse Mängel. „Wir schlagen in der aktuellen Krisensituation als sinnvolle und wirksame Sofortmaßnahme ein umgehendes Zurückfahren der Futtermittel- und Agrartreibstoffproduktion vor. In Österreich werden nur 17 Prozent des verbrauchten Getreides direkt als Nahrungsmittel verwendet, 47 Prozent als Futtermittel und 31 Prozent energetisch oder stofflich, zum Beispiel als Agrartreibstoff, genutzt“, sagt Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftsexpertin von GLOBAL 2000. 

VERKNAPPUNG ALS „GESCHÄFT“

Schon lange vor der Entwicklung, wie sie nun stattfindet, war in der Wirtschaft das „Verknappungsprinzip“ bekannt. Dabei wird Verknappung als Verkaufsmaßnahme im Vertrieb eingesetzt. Denn alles, was nur begrenzt verfügbar ist, hat einen höheren Wert als beliebig verfügbare Güter oder Leistungen. 

Der Psychologe Stephen Worchel untersuchte das Prinzip der Verknappung unter wissenschaftlichen Bedingungen. Er entdeckte ein Phänomen, nach dem Menschen eine Vorliebe für quantitativ begrenzte Güter – unabhängig von deren Qualität – zeigen. Das bedeutet, dass die Knappheit unterbewusst höher bewertet wird als die objektive Werthaltigkeit. Ein nur begrenzt verfügbares Angebot bringen die Menschen mit Exklusivität und hoher Qualität in Verbindung. Das ist inzwischen bewiesen. 

So berichtete ein Geschäftsführer einer Baufirma gegenüber ECHO (er möchte seinen Namen nicht im Magazin lesen), dass bestimmte Firmen die derzeitige Lage auch ausnutzten, um ihre Gewinne zu maximieren. Firmen also, die über sehr viele Baumaterialien verfügen, hielten diese auf Lager und seien sich der Verknappung vollends bewusst. Sie könnten die Preise, weil eben die Verknappung eintritt, fast beliebig gestalten und exorbitant nach oben treiben. Ein großes Problem ergibt sich demnach für den Konsumenten. Immer häufiger kommt es daher auch im Bundesland Salzburg zu Baustopps. Die finanziellen Mittel reichen nicht mehr aus, um den Hausbau zu beenden. Wer durch das Bundesland reist, wird immer wieder halb fertiggestellte Häuser finden, bei welchen aktuell nicht mehr weitergearbeitet wird. Auch solch dubiose „Geschäftsmethoden“ sind mitverantwortlich für die enorme Teuerung. 

LIEFERENGPÄSSE & VERSCHIEBUNGEN

ECHO hat bei Alexandra Voithofer nachgefragt, warum Holz in Österreich momentan so teuer und schwer lieferbar ist, obwohl das Land über sehr viele Waldflächen verfügt. „Der Rohstoff Holz in Form von Rundholz, wie es von den Bauern geerntet wird, ist in absoluten Zahlen gleich teuer wie vor 25 Jahren. Im gleichen Zeitraum stiegen die Produktionskosten wesentlich an.“ Was das verarbeitete Holz betreffe, sei das Preisniveau generell gestiegen. Hier würden auch zusätzliche Faktoren zum Tragen kommen. Lieferengpässe, Verschiebungen von Lieferketten und auch der Facharbeitermangel würden sich bemerkbar machen. „Im Vergleich zu den anderen Baustoffen, wie Stahl, Ziegel oder Styropor, wirkt der Baustoff Holz sogar inflationsbremsend, da Holz geringere Preissteigerungen als diese Baustoffe aufweist“, erklärt die Direktorin des Salzburger Bauernbunds.

ABHÄNGIG VON WELTMÄRKTEN

Attac ist eine internationale Bewegung, die sich für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft einsetzt. „Nach Jahrzehnten der Weltmarktöffnung sind wir nun abhängig von Weltmärkten. Zugleich steigen die Preise, weil Energie und Rohstoffe immer teurer werden und weil ein viel zu hoher Anteil des Getreides für Futtermittel und für den Tank verwendet wird. All das treibt die Preise in die Höhe“, sagt Iris Frey von Attac Österreich. Die Märkte seien ihrer Ansicht nach von mächtigen Konzernen dominiert. Hier brauche es Gegenmaßnahmen und mehr Transparenz. „Die Klimakrise, die Auswirkungen des Krieges und die Pandemie haben deutlich gezeigt, wie wichtig eine vielfältige, ökologisch nachhaltige und krisensichere Landwirtschaft ist. Deshalb braucht es dringend Schritte, mit denen die kleinbäuerliche Landwirtschaft, ökologische Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit für die Menschen zusammen gestärkt werden“, so Frey. 

Christian Granbacher

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„Bis zu einer Normalisierung wird es noch längere Zeit dauern“

Andreas Gasteiger, Geschäftsführer der SalzburgMilch, im ECHO-Interview.

ECHO: Warum wird die Milch in Österreich teurer, obwohl wir hier ja sehr viele Bauern und Milchproduzenten haben? 

Andreas Gasteiger: Österreich könnte sich sehr gut selbst mit Milchprodukten versorgen und es ist auch keine Frage des knappen Rohstoffs Milch. Aufgrund des Ukraine-Konflikts haben sich in den vergangenen Monaten vielmehr die Preise für viele Rohstoffe extrem verteuert. Das beginnt bei Energie und Treibstoffen und zieht sich weiter zu Papier, Kunststoffen und auch Futtermitteln. Von den Preissteigerungen sind wie wir alle Unternehmen betroffen, genauso wie unsere 2400 Milchlieferbetriebe in der Region, die unter diesen Bedingungen nicht mehr kostendeckend wirtschaften konnten, weshalb wir als Molkerei hier in Vorleistung getreten sind und die Auszahlungen an die Bauern erhöht haben. Da wir diese Mehrkosten jedoch nicht allein tragen können, müssen wir

sie letztlich in Form von höheren Verkaufspreisen an den Handel weitergeben.

ECHO: Verfügt Österreich über ausreichend Dünge- und Futtermittel für Kühe oder müssen diese importiert werden? 

Gasteiger: In der heimischen Milchwirtschaft wird verhältnismäßig wenig mineralischer Dünger verwendet, auch bei den Futtermitteln für die Milchkühe stammt ein Großteil aus Österreich. Da jedoch durch die angespannte Marktlage die Preise der Futtermittel generell stark gestiegen sind, betrifft das nun auch die heimischen Milchbauern.

„Österreich könnte sich sehr gut selbst mit Milchprodukten versorgen und es ist auch keine Frage des knappen Rohstoffs Milch.“ Andreas Gasteiger, Geschäftsführer der SalzburgMilch

ECHO: Welche Gründe, denken Sie, könnten wieder zu einer entspannteren Preis- beziehungsweise Liefersituation bei Milch und Milchprodukten führen?

Gasteiger: Leider ist aktuell keine Trendwende in Sicht. Entspannen kann diese Situation nur ein Ende dieses sinnlosen Krieges und eine Normalisierung der Warenströme, wie zum Beispiel bei Erdgas, Getreide, Früchten, Holz, Papier etc. Experten gehen jedoch davon aus, dass diese Normalisierung selbst nach einem Ende des Krieges noch längere Zeit dauern wird.

Interview: Christian Granbacher