Höflichkeit und Respekt sowie eine gewaltlose Sprache tun der Gesellschaft gut. Politische Korrektheit schiebt Menschen jedoch teilweise überschnell eine Opferrolle zu. Dann bewahrheitet sich die Redewendung: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.
Sprache kann verletzen und Mobbing in Sozialen Medien ist für viel Leid verantwortlich. Waren früher Politikerinnen und Politiker echte Staatsfrauen und Staatsmänner, die zivilisierte Umgangsformen pflegten, zeigen sich viele von ihnen heute keifend, komplett rücksichtslos und ähnlich verletzend wie Hater im Web. Auch in offiziellen und öffentlichen Ansprachen.
Alle sollten sich einig darüber sein, dass ein gewisses Maß an Höflichkeit und vor allem Rücksicht gegenüber anderen dringend notwendig sind. Eine Gesellschaft ist besser dran, umso weniger aggressiv sie mit Sprache agiert.
Auf der anderen Seite, sehen sich Menschen heute sehr schnell in der Opferrolle. „Der Trend zur Wokeness und der ständige Ruf nach politischer Korrektheit sind nicht nur wirkungslos, sondern richten einen erheblichen Schaden an“, führt der Autor Varnan Chandreswaran aus. Der Deutsche, dessen Eltern aus Sri Lanka kommen, ist Neurowissenschaftler und Psychologe. Mit seinem Buch „Gefangen in der Opferrolle: Warum Wokeness scheitert“, erschienen im Eulogia Verlag, weist er darauf hin, dass junge Menschen heute – auch aufgrund von Politischer Überkorrektheit – zunehmend ängstlicher und unzufriedener werden. „Anstatt sie zu befähigen, den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden, verführt Wokeness sie in eine Opferrolle. Sie sind schnell gekränkt, stellen überhöhte Ansprüche und verachten Andersdenkende. Das gefährdet nicht nur ihre psychische Gesundheit, sondern auch den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, so Chandreswaran.
EINE MINDERHEIT – ZWEI SICHTWEISEN
Generell bringt Wokeness oder Politische Korrektheit, dann wenn sie in übertriebener Form auftritt (!), das Problem mit sich, Menschen viel zu schnell des Rassismus zu bezichtigen. Ein ganz entscheidender Punkt in dieser Debatte ist, dass sich Minderheiten, die (angeblich) benachteiligt werden, heterogen auf diesen „Rassismus“ oder die „Kulturelle Aneignung“ reagieren.
Das sagen Salzburgs Politiker zur „Zigeunerschnitzel“-Debatte
Die Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg versendet Briefe an jene Restaurants, welche die Bezeichnung „Zigeunerschnitzel“ verwenden. Im Schreiben heißt es zum Wort „Zigeuner“ auszugsweise: „Dieses Wort hat eine lange Geschichte der Diskriminierung gegenüber Sinti und Roma und trägt dazu bei, negative Stereotype aufrechtzuerhalten.“ In dem Brief heißt es auch: „Wir fordern Sie deshalb auf, diese Bezeichnung abzuändern und an ein inklusives, respektvolles Umfeld anzupassen, in dem sich niemand diskriminiert fühlt.“
Wie bewerten Sie dieses Schreiben der Antidiskriminierungsstelle?
Wilfried Haslauer (Landeshauptmann Salzburg, ÖVP):
Ich lege grundsätzlich großen Wert auf einen respektvollen und nicht verletzenden Umgang, trotzdem muss ich sagen, dass ich für derartige Aktionen kein Verständnis habe. Solche Briefe, die an Benimmregeln einer obrigkeitsstaatlichen Sprachpolizei erinnern, fügen einem an sich wichtigen Anliegen mehr Schaden als Nutzen zu.
Marlene Svazek (LH-Stellvertreterin und Landesparteiobfrau der FPÖ Salzburg):
Eine Debatte wird nicht besser, wenn man sie zum hundertsten Mal aufwärmt. Ein Zigeunerschnitzel übrigens auch nicht.
Markus Maurer (Klubobmann der SPÖ im Landtag)
Persönlich meine ich, dass es nicht schadet, wenn man sich seiner Umwelt gegenüber höflich verhält. Wenn sich jemand durch gewisse Ausdrücke, Worte etc. beleidigt fühlt, so werde ich die Verwendung dieser Ausdrücke vermeiden. Das erwarte ich mir auch von meinem Gegenüber.
Martina Berthold (Klubobfrau und GRÜNE Landessprecherin):
Sprache formt unser Denken, unser Zusammenleben und unser Bild von anderen Menschen. Sie ist mehr als eine Ansammlung von Buchstaben – sie trägt Geschichte in sich und prägt unsere Wahrnehmung.
Begriffe wie „Zigeunerschnitzel“ sind auch nicht harmlos, sondern haben eine belastete Vergangenheit. Während der NS-Zeit wurden Hunderttausende Menschen der Roma- und Sinti-Community als „Zigeuner“ stigmatisiert, verfolgt, deportiert und ermordet. In Salzburg waren rund 300 Menschen im sogenannten „Zigeunerlager“ in Maxglan interniert. Sie mussten Zwangsarbeit leisten – bei der Glan-Regulierung, am Bau der Reichsautobahn und der Rainerkaserne.
Diese Geschichte hat Folgen bis in die Gegenwart: Noch heute sind Roma- und Sinti-Angehörige mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Deshalb ist es richtig und wichtig, wenn die Antidiskriminierungsstelle darauf hinweist und Restaurants ermutigt, problematische Bezeichnungen zu überdenken.
Es geht um Respekt. Wenn ein Begriff Menschen verletzt, ist es eine Frage des Anstands, ihn zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ersetzen. Sprache entwickelt sich weiter – so wie unsere Gesellschaft. Heute ist es selbstverständlich, von „Menschen mit Behinderungen“ zu sprechen und nicht mehr das abwertende Wort „Krüppel“ zu verwenden.
Inklusive Sprache ist kein Selbstzweck, sondern ein Ausdruck von Achtung und Wertschätzung. Gerade in Zeiten, in denen Ausgrenzung und Hetze wieder salonfähig gemacht werden, braucht es klare Zeichen für einen respektvollen Umgang miteinander. Sprache mag nur ein Teil davon sein – aber ein sehr entscheidender.
Bernhard Auinger (Bürgermeister Stadt Salzburg, SPÖ):
Die meisten Gastronomiebetriebe haben die Vorschläge der Antidiskriminierungsstelle bereits umgesetzt, denn sprachliche Diskriminierungen haben aus meiner Sicht auf Speisekarten nichts verloren. Ich bin mir aber sicher, dass kein Restaurant-Betreiber mit den kritisierten Bezeichnungen absichtlich jemanden benachteiligen oder diskriminieren möchte. Das Schreiben der Anti-Diskriminierungsstelle halte ich für einen wichtigen Schritt, für ein noch respektvolleres Miteinander in der Gesellschaft.
Florian Kreibich (Bürgermeister-Stellvertreter Stadt Salzburg, ÖVP):
Respekt und Meinungsfreiheit sollten keine Gegensätze sein. Eine ausgewogene Debatte bedeutet, dass wir sensibel mit Sprache umgehen, ohne dabei über das Ziel hinauszuschießen oder gesellschaftliche Gräben zu vertiefen. Statt uns endlos mit Begrifflichkeiten aufzuhalten, sollten wir den Fokus auf echte Lösungen legen – sei es soziale Gerechtigkeit, Bildungschancen oder den Schutz von Minderheiten vor realer Diskriminierung.
Anstatt uns gegenseitig vorzuschreiben welche Bezeichnungen wir für Speisen verwenden sollten, wäre es wichtig den Fokus auf das zu richten, was wirklich zählt: Gleichberechtigung, Chancengleichheit und ein respektvolles Miteinander.
Anna Schiester (Stadträtin, Bürgerliste – Die Grünen in der Stadt):
Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle ist es, tätig zu werden, wenn eine Diskriminierung beobachtet wird. Sie hat eine Meldung erhalten und sich daher richtigerweise an das Restaurant gewandt. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sich der Gast direkt an den Wirten gewandt hätte, um etwaige Missverständnisse auszuräumen. Aber klar ist: Die Bezeichnung „Zigeunerschnitzel“ ist nicht mehr zeitgemäß und diskriminierend. Die Volksgruppe der Roma und Sinti, die Opfer von Verfolgung im NS-Regime waren, lehnen den Begriff zu Recht ab. Die Entscheidung eine Speise umzubenennen, ist daher ein Zeichen von Respekt, denn Sprache ist immer ein Spiegel unserer Gesellschaft, insbesondere auch, wie wir mit Minderheiten umgehen.
Lukas Rupsch (NEOS-Gemeinderat in der Stadt Salzburg und Stellvertretender Landessprecher):
Ein guter und wichtiger Ansatz der Stadt – besonders in Zeiten, in denen Rechtsextremisten gezielt versuchen, die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Manche Aussagen und Ausdrucksweisen passen schlicht nicht mehr in das 21. Jahrhundert, da sie ausgrenzend, diskriminierend oder rückwärtsgewandt sind. Umso wichtiger ist es, auf Inklusion und Gleichberechtigung zu setzen – auch in der Sprache, denn sie prägt unser Denken und unser gesellschaftliches Miteinander.
Ein Kind, das Cowboys und Indianer mag, den Indianer aber noch mehr bewundert und deshalb ein solches Kostüm im Fasching tragen will, schade mit diesem Verhalten den Indigenen, sagen bestimmte Kritiker. Denn im Zuge der „Kulturellen Aneignung“ wirft man diesem Kind nun vor, es würde mit seiner Indianer-Verkleidung Stereotype und rassistische Klischees bedienen. Winnetou, Yakari und Pocahontas sind für viele Kinder aber Vorbilder und Held:innen. Ihnen in diesem Zusammenhang Rassismus vorzuwerfen ist wohl nur schwer zu argumentieren. Bestimmte Indigene sehen darin zwar ein Problem, andere Indigene aber wiederrum nicht.
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Zigeuner“. Teile dieser Gruppe werden dem Argument der Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg zustimmen, dieses Wort habe eine lange Geschichte der Diskriminierung gegenüber Sinti und Roma und trage dazu bei, negative Stereotype aufrechtzuerhalten. Aber es gibt auch zahlreiche Jenische und Menschen mit Roma-Wurzeln, die klar sagen: „Ich bin eine stolze Zigeunerin“, oder: „Ich bin stolz darauf Zigeuner zu sein“.
DEBATTE DARF GESELLSCHAFT NICHT SPALTEN
„Die Diskussion über politische Korrektheit ist in den letzten Jahren immer intensiver geworden. Während es wichtig ist, eine respektvolle Sprache zu pflegen und niemanden unnötig zu verletzen, darf diese Debatte nicht zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Oft geht es weniger um echte Verbesserungen für betroffene Gruppen, sondern vielmehr um symbolische Wortklauberei, die von maßgeblicheren Problemen ablenkt“, sagt Florian Kreibich, Vizebürgermeister der Stadt Salzburg von der ÖVP.
In Salzburg gab es kürzlich abermals eine Diskussion um einen Gastronomen, der auf seiner Speisekarte ein „Zigeunerschnitzel“ anbot. „Die Salzburger Gastronomie lehnt grundsätzlich alles ab, was Gäste oder bestimmte Gruppen von Menschen verärgern, verletzen oder diskriminieren könnte. Daher empfehlen wir unseren Mitgliedern schon seit Jahren, keine althergebrachten Speisennamen wie Zigeunerschnitzel oder Mohr im Hemd mehr zu verwenden. Auch wenn viele dieser Bezeichnungen ursprünglich nicht böse gemeint waren, sondern wie beim Zigeunerschnitzel eher auf die geografische Herkunft hindeuten, haben sie dennoch in unserer heutigen Zeit keinen Platz mehr“, sagt Ernst Pühringer, Obmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer Salzburg.
Die Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg Aufgaben & Finanzierung
Dabei handelt es sich um eine Anlaufstelle für Menschen, die sich in einem Lebensbereich diskriminiert fühlen. Besonders häufig gibt es Anfragen zu vermuteten Benachteiligungen bei Ämtern und Behörden. Oft fühlen sich Personen respektlos behandelt, oder die Bearbeitung eines Antrages dauert zu lange. Die Betroffenen führen das beispielsweise auf ihre ethnische Zugehörigkeit oder ihre Behinderung zurück.
Trägerin der Einrichtung ist die Katholische Aktion, Bereich Kirche & Arbeitswelt. Die Finanzierung erfolgt jedoch alleinig durch die Stadt Salzburg. Im Jahr 2023 erhielt die Trägerin für die Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg 31.977 Euro, im Jahr 2024 waren es 37.300 Euro. Für dieses Jahr hat die Stadt Salzburg 60.000 Euro budgetiert. „Die Erhöhung des Zuschusses erklären wir uns damit, dass die aktuelle Stadtregierung dem Thema Antidiskriminierungsarbeit wieder einen höheren Stellenwert beimisst. Durch diese Erhöhung ist nun wieder Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit in dem Bereich vorgesehen, die seit einer Kürzung der Mittel im Jahr 2019 nicht mehr möglich war, aber in der ursprünglichen Konzeptionierung der Stelle als eine wesentliche Säule vorgesehen war“, heißt es von Seiten der Katholischen Aktion, Bereich Kirche & Arbeitswelt gegenüber ECHO Salzburg.
HABEN DIE KEINE ANDEREN SORGEN?
Der Gastronom, um den es sich handelt ist Gerhard Schachner. Er war zuerst überrascht und dann verärgert, über einen Brief, den er von der Antidiskriminierungsstelle der Stadt Salzburg erhielt. Er betreibt das Lokal „Schachner & Pasta“ in der Panzerhalle, bietet dort Pasta-Spezialitäten, andere Speisen und täglich frische Menüs an. Unter anderem war auf seiner Karte ein „Zigeunerschnitzel“ zu finden. Nach einer anonymen Anzeige, folgte das Schreiben der Antidiskriminierungsstelle. „Im ersten Moment dachte ich, nun muss ich mit einer Strafe rechnen“, so Schachner gegenüber ECHO. Gewisse Passagen im Schreiben, lassen diesen Gedanken durchaus plausibel erscheinen. Denn unter anderem heißt es darin: „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass es sich beim Begriff ‚Zigeuner‘ um eine rassistische Fremdbezeichnung von Roma und Sinti handelt“ und an anderer Stelle: „Wir fordern Sie deshalb auf, diese Bezeichnung abzuändern und an ein inklusives, respektvolles Umfeld anzupassen, in dem sich niemand diskriminiert fühlt.“
BEREIT FÜR EIN TREFFEN
Schachner, der aktuell dringend nach weiterem Personal sucht und unter der Teuerung sowie den enormen Energiepreisen ebenso leidet, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen stellt die Frage: „Haben die keine anderen Sorgen? Ich bin ein weltoffener Mensch, habe den Begriff ‚Zigeuner‘ nie negativ besetzt und finde es cool, wenn man ein Reisender ist. Schon beim Prüfungskochen haben wir ‚Zigeunerschnitzel‘ zubereitet. Und es ist die Lieblingsessen meines Vaters. Ich gebe mir, wie bei all meinen Speisen, Mühe es bestmöglich zuzubereiten und möchte es auch verkaufen. Ich sehe sowohl die Speise als auch den Namen in einem positiven Sinne.“ Der Gastronom fügt auch noch an, dass er die Person, die ihn anonym bei der Antidiskriminierungsstelle gemeldet habe, gerne treffen und sich mit ihr unterhalten würde.
Er sei leidenschaftlicher Koch, habe viele Stationen in Österreich erlebt und dabei immer gerne mit Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen zusammengearbeitet. Im „Schachner & Pasta“, war und ist er Arbeitgeber für Menschen aus vielen Ländern. Den Vorwurf des Rassismus kann er überhaupt nicht nachvollziehen und möchte diesen auch nicht auf sich sitzen lassen. Wenn seine Gäste es wünschen, wird es bei ihm immer wieder einmal ein ‚Zigeunerschnitzel’ oder einen ‚Zigeunerbraten‘ geben. „Ich habe in dieser Sache viel Zuspruch von Gästen und anderen Wirten bekommen. Wenn es so bedeutend wäre, dann müsste man die Johann-Strauß Operette ‚Der Zigeunerbaron‘ auch umbenennen“, so Gerhard Schachner.
Die Jim Knopf-Debatte
Ist Jim Knopf als Figur rassistisch? Diese Frage stellten sich viele Hörspiel-Fans zu dem Helden ihrer Kindheit. Denn der Hersteller des interaktiven Lautsprechers Toniebox hat eine zuvor angekündigte Jim-Knopf-Figur auf Eis gelegt – weil es Kritik an der „stereotypen Darstellung“ der Figur gab, wie der Hersteller mitteilte. Sie kam nie auf den Markt.
Die Nachfolger-Figur hat nun hellere Haut und weniger volle Lippen. Auch beim Buchcover des Werks von Michael Ende gab es Änderungen. Auch hier wurde Jim Knopf mit dünneren Lippen dargestellt, die Haut wurde heller gemacht und dem Minderjährigen wurde die Tabak-Pfeife aus dem Mund entfernt. Ob das Menschen mit sehr dunkler Haut und vollen Lippen nun gut oder diskriminierend finden, wird nicht pauschal festzustellen sein, sondern ein subjektives Empfinden bleiben.